Tofino und ich, das habe ich längst zu einer Liebesgeschichte erklärt, vermutlich eine lebenslängliche. Wiederholte Besuche über viele Jahre, ein ganzes Jahr Leben dort und bis heute scheine ich immer noch nicht genug zu haben. Jedes Mal, wenn ich dieses abgelegene Örtchen am Ende der Strasse im Westen wieder aufsuche, das erste Mal den Nordwest-Pazifik rieche, seinen Wellen “hallo” sagen oder während einer klaren Nacht betört unter seinem Sternendach stehen darf, erklingt derselbe Satz in meinem Kopf. “Jetzt bin ich glücklich.” Warum?

Tofino liegt auf einer abgelegenen Landzunge, an der Westküste Vancouver Islands in British Columbia. Es ist umgeben von Wasser, auf der einen Seite der offene Ozean, auf der anderen die fjordartige Landschaft des Clayoquot Sound – ein UNESCO Biosphärenreservat. Das Gebiet beherbergt einige der weltweit letzten, intakten Bestände des Regenwaldes der gemässigten Breiten. Die zum Teil Jahrhunderte alten Giganten – Sitkafichten und Riesenlebensbäume – lassen sich auf den zahlreichen, gut ausgelegten Pfaden im angrenzenden Pacific Rim Nationalpark bestaunen. Durch den Urwald führen diese Wanderwege den Besucher an einige der schier unendlich erscheinenden Sandstrände des Parks. Der wahre Luxus bedeutet für mich hier, dass ich mir die Herrlichkeit dieses Naturraumes nicht mit vielen anderen Menschen teilen muss. Selbst im Sommer, wenn Touristen aus aller Welt einströmen, gibt es kaum Zusammenstösse. Diesmal komme ich im Winter zurück, zu den Stürmen, den ebenso besänftigenden, wie heftigen Geräuschen des Regens und der Winde, aber auch zurück zu den Glücksstrahlen der plötzlich aufblitzenden Sonne, inmitten unberührter Schönheit

Abenteuer

Nicht nur ca. 1800 Menschenseelen – im Winter (!), denn während der Sommersaison werden es durchaus mehr – bevölkern Tofino. Die Umgebung gehört ebenso, oder vielmehr, unzähligen Schwarzbären, Berglöwen (Pumas), Wölfen, Waschbären und nicht zuletzt den Walen, die hier von Oktober bis März auf ihrem Weg gen Süden auf der Suche nach Nahrung vorbei ziehen. Wenn sich ein Orca direkt im Hafen von Tofino sichten lässt oder sich ein Schwarzbär am Strassenrand zeigt, freuen sich Erwachsene ebenso wie Kinder, Einheimische wie Touristen. Die Magie solcher Begegnungen lässt sich schwer in Worte fassen – nicht von ungefähr, wird dieses Fleckchen Erde auf einer Insel “Peter Pan Land” genannt. Wer nicht auf solche Überraschungen warten kann, bucht einfach eine der zahlreichen Wal- und Bärenbeobachtungstouren im Boot, z.B. mit Remote Passages in Tofino. Im Winter halten die Bären natürlich ihren Schlaf, während sich die Wale in Mexiko weiter ihre Bäuche vollschlagen. Wer trotzdem raus aufs Wasser möchte und während dessen noch das ein oder andere Geschöpf des Ozeans, wie Seelöwen oder Meerotter erblicken möchte, unternimmt einen Ausflug zu den Hot Springs im Maquinna Marine Provincial Park. Mit etwas mehr Glück kommt einen auf der Bootsfahrt dorthin selbst während der Wintermonate einer der dauerhaft in den Gewässern Vancouver Islands lebenden Grauwale grüssen.

Surfen

In den 60-er Jahren fing es an, doch spätestens seit den 90-ern, als die Entwicklung die Neoprenanzug-Technik ausklügelte, gilt Tofino als Surf-Hotspot in ganz Nordamerika. Gerade im Winter zieht es Einheimische und die besten Surfer aus ganz British Columbia an die Strände in und rund um die Ortschaft im Pacific Rim Nationalpark. Zu den beliebtesten Surf-Locations in unmittelbarer Nähe Tofinos zählen Cox Bay und Chesterman Beach, ebenfalls Austragungsorte der ‘O’Neill ‘Coldwater Classic Tour’ und ‘Queen of the Peak’ Contests – letzterer wurde von “Surf Sister” Mitbegründerin Krissy Montgomery ins Leben gerufen, um den hier besonders vielen surfenden Frauen eine Wettbewerb-Plattform zu geben. “Surf Sister” wird ausschliesslich von weiblichen Surf-Lehrerinnen betrieben und ist eine von mehreren Schulen in Tofino, die Surf-Stunden anbieten – privat oder in der Gruppe. Keine Sorge: Auch Jungs werden bei “Surf Sister” unterrichtet, allerdings nur im obligatorisch pinken Shirt.

Essen

Als ehemaliges Hippie-Magnet hat sich Tofino bis heute einen gewissen Boheme-Flair bewahrt. Immer noch zieht das Dörfchen Künstler, Kunsthandwerker und Holzschnitzer aus aller Welt an, aber eben auch Feinschmecker und jene, die sich den Genuss zum Beruf gemacht haben. Die Gastro-Szene Tofinos floriert und macht mittlerweile weit über Kanada hinaus von sich reden. Nebst Klassiker wie dem “The Pointe Restaurant” im legendären Hotel The Wickaninnish Inn am Chesterman Beach oder dem “SoBo” in Tofinos Zentrum, warten vor allem so manche lässige Imbissbuden, respektive Food-Trucks mit kulinarischen Überraschungen auf.

Der gemeinsame Nenner dieser Lokale: Frischeste Zutaten, meist biologisch und in der Umgebung angebaut, Wildfang, der vom Boot direkt auf den Teller gebracht wird. Tipp: Wildside Grill’s Albacore-Tuna-Burger oder Tacofino’s Fishtaco bei regenfreiem Wetter an den nächsten Strand – Chesterman Beach – mitnehmen, auf einem Treibholzstamm sitzen, schmecken und den Wellen und Surfern zuschauen. Nahrung für hungrige Seelen.

Zum Nachtisch findet sich in dem winzigen Laden “Chocolate Tofino” eines der – meiner Meinung nach – besten Eiscremes der Erde. Das junge Ehepaar Kim und Cam hat seine Heimat in der kanadischen Prärie vor Jahren zurück gelassen, um das Surf- und Naturmekka an der Westküste ihr Zuhause nennen und sich der Herstellung handgeschöpfter Spitzenschokolade zu verschreiben.

Bei “Chocolate Tofino” tauche ich jedes Mal nur schon mittels meiner Nase ins Schokoparadies ein. An meinem letzten Nachmittag, gönne ich mir diesmal einen Schluck des dickflüssigen Zaubertranks “Chocolate Elixir” – Wohltat nach einem langen Spaziergang an Long Beach im Pacific Rim Nationalpark, den ich wie so oft im Winter bis auf vereinzelte Surfer ganz für mich hatte. So habe ich auch während dieses doch zu kurz geratenen, dreitägigen Besuchs Tofino mit seinen wesentlichen Geschmacksrichtungen aufgesogen, ins Elixier aus Luft und Wasser, Wald und Ozean getunkt. Nächstes Mal komme ich vielleicht im Frühling wieder, wenn die Bärenkinder munter werden.

Anreise mit:

Air Canada, in der Nebensaison die einzige Verbindung von der Schweiz oder Deutschland über Toronto nach Vancouver.

Von Vancouver nach Vancouver Island mit BC Ferries.

Mehr Informationen zu Destination, Unterkünften, Aktivitäten gibts bei Tourism Tofino.